5.9.06

spiegelkabinett

"Berlin (jwd) - Nach tagelangem Streit haben sich die Spitzen der Koalition heute auf einen Arbeitseinsatz für Hartz-IV-Empfänger geeinigt. Demnach sollen Langzeitarbeitslose künftig ihren Mitmenschen einen Spiegel vorhalten. Bis zu acht Stunden täglich sollen Empfänger von Arbeitslosengeld II mit großen, an Bauch und Rücken befestigten Spiegeln in Fußgängerzonen und belebten Stadtzentren auf und abgehen. Ziel dieser ungewöhnlichen Maßnahme, so Regierungssprecher Wilhelm, sei es, die Deutschen mit ihrem eigenen Ich zu konfrontieren und sie dadurch zu einer kritischeren Form der Selbstbeobachtung anzuregen. Nur so könne die in Jahrzehnten sozialer Marktwirtschaft oder gar sozialistischer Planwirtschaft verloren gegangene Eigenverantwortung der Bürger wieder hergestellt werden.

"Wir brauchen mehr individuelle Eigenverantwortung" sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des Spitzengesprächs der Presse. "Die Deutschen müssen lernen, wieder etwas aus sich zu machen. Dies betrifft ein gepflegtes Äußeres, gute Manieren und ein elegantes Auftreten ebenso wie den festen Willen jedes Einzelnen, im Beruf sein Bestes zu geben und dafür auch mal Risiken einzugehen". Die Regierung, so die Kanzlerin, müsse ein deutliches Zeichen gegen die sich ausbreitende Nörgelei, Mutlosigkeit und Selbstaufgabe setzen. Deutsche Frauen und Männer seinen nicht grundsätzlich weniger elegant als ihre französischen oder italienischen Nachbarn. Sie seien prinzipiell auch in der Lage zu lächeln oder sich an den vielen kleinen Wundern des Alltags zu erfreuen. Und Fleiß, Verlässlichkeit sowie der Mut zum unternehmerischen Risiko seien vor gar nicht allzu langer Zeit sogar typisch deutsche Tugenden gewesen. Der Blick in den Spiegel, der in vielen anderen Ländern schon längst zur täglichen Routine gehört, solle auch den Deutschen das Vertrauen in die eigene Stärke zurückgeben.

Bei den Oppositionsparteien stieß die Entscheidung auf breite Zustimmung. Ein Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen betonte allerdings, dass das Programm auf keinen Fall zu einem erhöhten Autoverkehrsaufkommen führen dürfe. Die Regierung müsse gewährleisten, dass die Arbeitslosen mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln in die Fußgängerzonen kämen. Die FDP machte deutlich, dass sie der Maßnahme nur zustimmen werde, wenn zu ihrer Finanzierung keine weiteren Steuererhöhungen nötig seien. Lediglich die Linke kritisierte den Kabinettsbeschluss als stümperhaft, ausbeuterisch und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Statt Arbeitslose zu diskriminierender Zwangsarbeit zu verdonnern solle die Regierung lieber dafür sorgen, dass die Unternehmen ihrer moralischen Pflicht nachkommen, ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen. Einhellig begrüßt wurde der Beschluss vom Bundesverband Flachglas und dem Bundesverband des deutschen Textileinzelhandels. Alleine im Glasergewerbe sei kurzfristig mit rund 25000 neuen Arbeitsplätzen zu rechnen. Allerdings müsse die Regierung gewährleisten, dass keine billigen asiatischen Produkte beschafft würden. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen hingegen warnte, dass die ständige Konfrontation mit der eigenen Unzulänglichkeit bei den Bürgern auch zu einer sich selbst verstärkenden negativen Feedbackschleife führen könne. Insbesondere bei depressiven Menschen führten negative Hinweise zu ihrer Person regelmäßig zu einer Bestätigung und Verfestigung des ohnehin schon schlechten Selbstbildes, was im schlimmsten Fall zu einer vollständigen Isolierung der Person führen könne. Die Couch des Psychoanalytikers, so eine Sprecherin des Verbandes, sei durch wandernde Spiegel eben nicht zu ersetzen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kündigte ein umfassende Prüfung der voraussichtlichen Arbeitsbedingungen der ALG-II-Empfänger an. Insbesondere müsse die Bruchsicherheit der Spiegel gewährleistet sein. Weiterhin müssten nach ersten Einschätzungen des Amtes ausreichend Sitzgelegenheiten in den Stadtzentren für die vorgeschriebenen Ruhepausen bereitgestellt werden. Eine Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Datenschutz lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Mit einer Stellungnahme der Gewerkschaften ist aufgrund eines verlängerten Wochenendes erst im Laufe des morgigen Tages zu rechnen."
[Quelle: La Deutsche Vita - Zeitung für Deutschlandfragen; weitere Berichte hier, hier, hier, hier und hier]

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2 Comments:

Anonymous Anonym said...

ein vorteil wird auch sein, das die eitlen, weil schönen, weil erfolgreichen, weil tatkräftigen ab sofort nicht mehr die strasse wechseln werden, weil man sich im schaufenster des geschäfts gegenüber noch besser selbst bewundern kann.

deutschland wird das land der schnellen ideen. es wird leuchten und strahlen

5/9/06 01:36  
Blogger rob said...

continuo a acreditar que são bons estes textos.

5/9/06 11:00  

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