abmahnpoker
Glaubt man Wikipedia, dann war Poker im 15. Jahrhundert ursprünglich ein altes deutsches Spiel mit dem schönen Namen "Pochen". Irgendwann wurde die Idee - wie so viele andere auch - nach Amerika gebracht und wurde dort weltberühmt. Jetzt kommt die Idee in neuer Form zurück nach Deutschland. Als Abmahnpoker. Was das ist? Menschen, die im Internet über schlechte Erfahrungen mit den Produkten oder Dienstleistungen der Firmen x, y oder z oder die Leistungen der Prominenten q, v oder w berichten, werden abgemahnt. Sie erhalten dann Post von einer Anwaltskanzlei mit der Aufforderung, die entsprechende Aussage zu löschen und nie wieder ähnliches zu behaupten. Andernfalls drohen hohe Geldstrafen. Beigefügt ist eine Anwaltsrechnung, die der Abgemahnte zahlen muss. Während größere Unternehmen solche Abmahnungen ihrer Rechtsabteilung übergeben oder einfach aus der Pornokasse Portokasse bezahlen, sind Privatpersonen schnell abgeschreckt und steigen aus ... wie beim Poker, wenn der Einsatz zu hoch wird. Damit das ursprünglich als Verteidigung gegen unzulässige Unwahrheiten oder Verunglimpfungen gedachte Instrument der Abmahnung nicht in sein Gegenteil umschlägt, gibt es jetzt einen Abmahnblog, in dem auf ungerechtfertigte Einschüchterungs- und Zensurversuche hingewiesen und die größten Pokerfaces einem breiten Publikum vorgestellt werden können.
Die deutsche Sprache hat diese jüngste Karriere des Pokerspiels (d.h. des "Pochens") übrigens lange im Voraus vorhergesehen. Das Deutsche Rechtswörterbuch aus dem 19. Jahrhundert definiert den Begriff "Poch" als "Grobheit, anmaßendes Auftreten, Bedrohung, Zwang". Den "Pocher" beschreibt es als "auftrumpfende, aufbrausende Person".
Vielleicht ist es ja nicht ganz untypisch für uns Deutsche, wenn wir ausgerechnet die unangenehmen Seiten unserer Erfindungen zur Marktreife bringen.
Die deutsche Sprache hat diese jüngste Karriere des Pokerspiels (d.h. des "Pochens") übrigens lange im Voraus vorhergesehen. Das Deutsche Rechtswörterbuch aus dem 19. Jahrhundert definiert den Begriff "Poch" als "Grobheit, anmaßendes Auftreten, Bedrohung, Zwang". Den "Pocher" beschreibt es als "auftrumpfende, aufbrausende Person".
Vielleicht ist es ja nicht ganz untypisch für uns Deutsche, wenn wir ausgerechnet die unangenehmen Seiten unserer Erfindungen zur Marktreife bringen.
Labels: deutsche tugenden, dialektik der belehrung
1 Comments:
... ach, dachte immer, ist alles nur ein Spiel, aber Du hast eine historisch fundierte und zugleich bestechend überzeugende Erklärung des Marktpotenzials einer uralten sozialen Praxis gegeben.
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