13.10.06

die feinen unterschiede

Weil nationale Gesetze in Europa größtenteils in Brüssel entworfen werden könnte man annehmen, dass den Ministerialverwaltungen der EU-Mitgliedsstaaten langsam aber sicher die Arbeit ausgeht. Weit gefehlt! Sie wenden ihre Aufmerksamkeit einfach neuen Dingen zu. Der neueste Trend scheint eine Art europaweites Stille-Post-Spiel zu sein, bei dem die EU-Mitglieder ihre politsche und vor allem kulturelle Identität dadurch wahren, dass sie den Wortlaut europäischer Gesetze und Vorschriften nicht einfach übernehmen, sondern in nationalen "Slang" übersetzen. Aktuelles Beispiel ist die derzeit im Bundesrat behandelte "Verordnung über das Inverkehrbringen kindergesicherter Feuerzeuge". Ja, genau, in der EU dürfen Einwegfeuerzeuge künftig nur dann verkauft werden, wenn sie von Kindern unter 51 Monaten nicht benutzt werden können. Für Edelfeuerzeuge, die auch außerhalb Chinas hergestellt werden, gilt die Feuerzeugverordnung natürlich nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zur stillen Post. Wie jede Rechtsnorm enthält auch die "Entscheidung der Komission zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, damit nur kindergesicherte Feuerzeuge in Verkehr gebracht werden und das Inverkehrbringen von 'Feuerzeugen mit Unterhaltungseffekten' untersagt wird" [pdf] eine genaue Bestimmung der enthaltenen Begriffe. In diesem Fall also eine Art para-lexikalischer Eintrag zu den Begriffen "Feuerzeug", "Feuerzeug mit Unterhaltungseffekt" und "kindergesichertes Feuerzeug".

Im deutschen Verordnungsentwurf steht in typisch deutscher Genauigkeit und Pedanterie:
"Im Sinne dieser Verordnung ist:

1. 'Feuerzeug': ein zur Erzeugung einer Flamme unter Verwendung eines Brennstoffs gefertigtes Gerät, das von Hand betätigt wird und bei dem die Brennstoffversorgung, die nachfüllbar sein kann, eingebaut ist. Es dient in der Regel zum beabsichtigten Anzünden insbesondere von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen und wird vorhersehbar auch zum Anzünden anderer Materialien verwendet.

2. 'Feuerzeug mit Unterhaltungseffekt': ein Feuerzeug - einschließlich jeden dafür bestimmten Halters, der mit ihm verbunden werden kann oder jedes Zubehörgegenstandes, der an ihm befestigt werden kann - das einem anderen Gegenstand ähnelt, der für Kinder im Alter von unter 51 Monaten zum Spielen ansprechend oder offensichtlich zu deren Verwendung bestimmt ist oder von dem akustische Effekte oder Animationsbilder ausgehen.

3. 'Kindergesichertes Feuerzeug': ein Feuerzeug, das von seiner Konstruktion und von seiner Beschaffenheit her dergestalt gefertigt ist, dass es unter üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen, etwa aufgrund des erforderlichen Kraftaufwands oder seiner konstruktiven Beschaffenheit oder des Schutzes des vorhandenen Zündmechanismus oder aufgrund der Komplexität oder Ablauffolge der erforderlichen Handhabungsvorgänge zur Erzeugung der Flamme, nicht von Kindern unter 51 Monaten betätigt werden kann.
Die Österreicher hingegen schreiben in der ihnen eigenen Lässigkeit:
"Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 'Feuerzeug': ein handelsübliches Einweg- oder nachfüllbares Feuerzeug mit integraler Brennstoffversorgung, wie es vorwiegend zum Anzünden von Tabakwaren, aber auch von Gegenständen wie Papier, Dochten, Kerzen und Laternen verwendet wird.

2. 'Feuerzeug mit Unterhaltungseffekt': Feuerzeug entsprechend der Definition in Punkt 3.2 der ÖNORM EN 13869:2002 (siehe Anlage 1).

3. 'Kindergesichertes Feuerzeug': ein Feuerzeug, das unter üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen, etwa aufgrund
– des erforderlichen Kraftaufwands oder
– seiner konstruktiven Beschaffenheit oder
– des Schutzes des vorhandenen Zündmechanismus oder
– aufgrund der Komplexität oder Ablauffolge der erforderlichen Handhabungsvorgänge
nicht von Kindern unter 51 Monaten betätigt werden kann."
In der ursprünglichen EU-Entscheidung steht übrigens in dem für EU-Gremien typischen technokratischen Problemversessenheit*:
"Im Sinne dieser Entscheidung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 'Feuerzeug': ein zur Erzeugung einer Flamme unter Verwendung eines Brennstoffs bestimmtes, von Hand betätigtes, mit einer integralen Brennstoffversorgung gefertigtes und gegebenenfalls zum Nachfüllen bestimmtes Gerät, das in der Regel zum beabsichtigten Anzünden speziell von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen dient und bei dem vorhersehbar ist, dass es auch zum Anzünden von Gegenständen wie Papier, Dochten, Kerzen und Laternen verwendet wird.

2. 'Feuerzeug mit Unterhaltungseffekt': Feuerzeug nach der Definition in Punkt 3.2 der Europäischen Norm 13869:2002.

3. 'kindergesichertes Feuerzeug': ein Feuerzeug, das von seiner Konstruktion und von seiner Beschaffenheit her dergestalt gefertigt ist, dass es unter üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen etwa aufgrund des erforderlichen Kraftaufwands oder seiner konstruktiven Beschaffenheit oder des Schutzes des vorhandenen Zündmechanismus oder aufgrund der Komplexität oder Ablauffolge der erforderlichen Handhabungsvorgänge zur Erzeugung der Flamme nicht von Kindern unter 51 Monaten betätigt werden kann."
Und warum das Ganze? Glaubt man der Begründung im Amtsblatt der Europäischen Union, dann hängt nicht weniger als das "ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts" von dieser Regelung ab. Zumindest steht dort, dass
"das fragliche Risiko nur wirksam beseitigt werden kann, indem auf Gemeinschaftsebene anwendbare angemessene Maßnahmen getroffen werden, um ein gleichmäßig hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher sowie das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten."
Und unerklärlicherweise gibt es in der EU
"Für Feuerzeuge [...] keine spezifischen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft. Im Wege anderweitiger Verfahren, wie sie in spezifischen Regelungen des Gemeinschaftsrechts festgelegt sind, lässt sich die entsprechende Sicherheitsproblematik nicht wirksam und in einer Weise regeln, die der Dringlichkeit der Sache gerecht wird. Deshalb erweist es sich als unerlässlich, auf das Rechtsinstrument einer Entscheidung im Sinne von Artikel 13 der Richtlinie 2001/95/EG zurückzugreifen."
Dem wäre ja nun Abhilfe geschaffen. Die EU ... da werden Sie geholfen.

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