15.3.07

second life - oder: die simulation der simulation

"Second Life ist die Web-3D-Simulation einer virtuellen Welt". So lautet der erste Satz einer Kurzstudie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Vielleicht sollte man diesen Lapsus nicht überbewerten. Wahrscheinlich ist es nur ein unbedeutender Fehler in der Übersetzung des ersten Satzes der Selbstdarstellung von Second Life, wo es heißt "Second Life is a 3-D virtual world". Aber irgendwie ist es auch symptomatisch, dass gerade unsere Polit-Avatare (vulgo: Volksvertreter) der Virtualität von Second Life noch eins drauf geben und quasi durch die Hintertür eine zusätzliche Ebene der Simulation einbauen.

Denn das Verhältnis eines Bundestagsabgeordneten zur Bevölkerung ist dem des Avatars zum Second Life Spieler nicht ganz unähnlich. Sie sind virtuelle Stellvertreter. Sie simulieren das Verhalten, das von ihnen erwartet wird. Einige von ihnen sind sehr aktiv, andere hingegen sind nur formal angemeldet und haben sich schon seit langem nicht mehr in den politischen Prozess eingeloggt. Parlamentsabgeordnete sind ziemlich "second life", halten sich aber natürlich für viel wirklicher als die bunten Manga-Nachfahren Robert-T-Onlines. Außerdem klingt "second life" für den Laien (den es auch nach der Bundestagsstudie noch gibt) nach Rente, Altersheim oder einfach nur Plan-B. Damit will kein "first life" in Verbindung gebracht werden.

Und so macht der Bundestag, bzw. stellvertretend für ihn sein wissenschaftlicher Dienst, das second life zum third life und bereitet dadurch ganz nebenbei auch den Weg für Repräsentation der Repräsentanten in der schönen neuen virtuellen Welt.

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6 Comments:

Anonymous Anonym said...

Baudrillard hätte seine Freude an diesem Eintrag gehabt, oder?

16/3/07 01:40  
Anonymous Anonym said...

@Rayson:

Puuuhhh... Frag mal MomoRules, der weiß das bestimmt.

Ich hatte jedenfalls meine Freude. :)

16/3/07 02:24  
Anonymous Anonym said...

Wie man Verhalten simuliert, daran hätte sich allerdings auch Baudrilliard die Zähne ausgebissen ...

16/3/07 10:45  
Blogger la deutsche vita said...

@ momorules

Es mag ja sein, dass man sich nicht nicht verhalten kann. Zum Verhalten verdonnert. Aber wie man sich verhält, kann man immer noch selbst entscheiden. Und ein mögliches Verhalten ist die Simulation, so-tun-als-ob. Jeder Zauberer simuliert ein Verhalten, das von ihm erwartet wird, z.B. das Zersägen seiner hübschen Assistentin. Sein Verhalten ist dann aber nicht ein Assistentinnen-Zersägen, sondern er tut so, als würde er das Erwartete tun. Er simuliert also ein Verhalten, das andere von ihm erwarten. Ich glaube nicht, dass Baudrillard damit Probleme gehabt hätte. Es hätte ihn aber wohl auch nicht so sehr interessiert - bis auf die hübsche Assistentin, über die hätte er sich bestimmt noch ein paar Tage Gedanken gemacht.

16/3/07 11:32  
Anonymous Anonym said...

Nö, entweder man verhält sich, oder man verhält sich nicht.

Auch ein Schauspieler schauspielert halt, das ist dann ein Form des Verhaltens, eine spielerische, nicht eine Simulation dessen.

Simulieren kann man Krankheiten, dann verhält man sich so, als ob man krank sei. Simulation ist auf Sachverhalte, nicht Verhalten bezogen. Also "es verhält sich so oder so", nicht "er verhält sich so oder so".

Man könnte jetzt sogar ganz spitzfindig werden und noch Verhalten und Handlungen unterscheiden, aber lassen wir das ;-) ... von wegen Sprung in der Platte ... grrrr ...

16/3/07 12:13  
Anonymous Anonym said...

wenn man mal die philosophische ebene weg lässt, dann ist das ganze aus anderer sicht merkwürdig: warum glauben die politiker eigentlich, dass sie das "reale" leben in second life 1:1 abbilden wollen. ich hatte die second life idee bisher immer so verstanden, dass man dort eben ein anderes leben führen kann.

man munkelt, die bundesregierung will auch einen pavillion bauen...

17/3/07 11:25  

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