12.12.07

aus dem keller des elfenbeinturms

"Die internationale Welt des Messwesens wird in Zukunft an einer prominenten Stelle von einem deutschen Wissenschaftler besetzt."
Was in der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zunächst wie eine dieser täglichen manisch-depressiven Beschwörungen des Standort Deutschland klingt, ist in Wirklichkeit ein Einstieg in eine ebenso skurrile wie unbekannte kleine Parallelwelt. Wer sich von der trockenen Sprache der Meldung nicht abschrecken lässt, erfährt dort beispielsweise, dass es schon seit über 130 Jahren ein "Internationales Büro für Maß und Gewicht" gibt. Dort sind Wissenschaftler beschäftigt, die nicht etwa Messer oder Messdiener heißen, sondern Metrologen. Ihre Wissenschaft, die Metrologie, ist Insidern auch als Lehre von Maß und Gewicht bekannt. Im akademischen Bereich dürfte die Metrologie wohl zu den weniger dynamischen Forschungsbereichen zählen. An unseren Universitäten wird sie nur noch an den historischen Fakultäten gelehrt. Zuständig für die Ausbildung des messenden Nachwuchses ist die Deutsche Akademie für Metrologie, die sich im Internet unter der schönen Adresse www.dam-germany.de (nein, ein "n" fehlt da nicht) präsentiert. Ihre Linksammlung verweist auf deutsche und internationale metrologische Institutionen. Und auf die Fahrplanauskunft des Münchener Nahverkehrs.

Das Internationale Büro für Maß und Gewicht ist unter anderem für die Überwachung der internationalen Meterkonvention zuständig. Außerdem hüten ihre Metrologen seit 1889 das sagenumwobene Ur-Kilogramm, die Mutter aller heutigen Gewichte. Alle paar Jahrzehnte wird es aus dem Tresor des Pariser Schlösschens geholt, behutsam geputzt und mit seinen 51 nationalen Duplikaten verglichen. Zuletzt geschah dies 1950 und 1990. Dabei hat sich zur großen Überraschung der metrologischen Fachwelt herausgestellt, dass die Kopien im Laufe der Jahre um 0,00005 Gramm schwerer geworden waren als das Original. Eine Erklärung für diese erschütternde Beobachtung gibt es nicht.

Vielleicht wird ein Deutscher als oberster Hüter des Weltgewichts dieses Rätsel lösen und den schleichenden Verfall des Ur-Kilos stoppen. Vielleicht aber auch nicht. Dem Standort Deutschland wird es - wie so vieles was in seinem Namen getan oder unterlassen wird - jedenfalls ziemlich egal sein.

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