4.4.08

die neue ehrlichkeit


Der Politikwissenschaftler David Easton hat in den 60er Jahren ein Modell der Politik entwickelt, in dem er den politischen Entscheidungsprozess als Black Box beschrieb. Außenstehende können sehen, was in die Black Box reingeht, und sie können beobachten, was später herauskommt. Was dazwischen passiert, d.h. die Art und Weise, in der Gesetze und andere politische Entscheidungen zustande kommen, kann der Beobachter hingegen nur erahnen.

Doch manchmal öffnet sich die Black Box ein klein Wenig und taucht die "Regierungsarbeit" in ein helles Licht. Die heutige Pressemitteilung des Umweltministeriums zum Stop der Biosprit-Verordnung ist ein solcher lichter Moment. In einer fast unheimlich anmutenden Ehrlichkeit berichtet Umweltminister Sigmar Gabriel darin über die wahren Motive des heute verworfenen Plans, den Anteil von Bioethanol im Benzin auf 10 Prozent zu erhöhen. Nicht der Schutz des Klimas, sondern ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen der Landwirtschaft und der Automobilindustrie seien der Grund für die geplante staatliche Förderung der Biokraftstoffe gewesen:
"Gabriel verwies darauf, dass die Diskussion um die Erhöhung der Beimischungsobergrenzen nur begrenzt etwas mit dem Erreichen von Klimaschutzzielen zu tun gehabt habe. 'Vielmehr ging es sowohl um Interessen der Landwirtschaft an der Stabilisierung und dem Ausbau des Biokraftstoffmarktes und einem ganz speziellen Interesse der Automobilindustrie: Eine erhöhte Beimischung sollte der Automobilindustrie in Deutschland und Europa den Schritt von 130 g CO2 pro km auf 120 g CO2 pro km ab dem Jahr 2012 kostengünstiger ermöglichen als es durch ausschließlich technologische Schritte in der Motoren- und Fahrzeugtechnik möglich ist'."
Ein "ganz spezielles Interesse der Automobilindustrie" und der Wunsch der Landwirtschaft nach hohen Marktpreisen waren also ausschlaggebend für ein teures "umwelt"politisches Programm, dessen ökologischer Nutzen mehr als fraglich ist. Und der eigentlich für den Schutz der Umwelt zuständige Minister gibt das auch noch freimütig und in aller Öffentlichkeit zu. Ist das vielleicht der Anfang vom Ende der Black Box-Metapher? Oder einfach nur eines Umweltministers?


P.S.: Wer sehen will, wie sich jemand um Kopf und Kragen redet, nur um den eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, dem sei die vollständige Rede des Umweltministers auf der heutigen Bundespressekonferenz empfohlen. Höhepunkt der Rede:
"Für mich war und ist absolut klar gewesen, dass das Bundesumweltministerium der Automobilindustrie bei der Erreichung der Klimaziele (ab 2012 nur noch im Durchschnitt 120 g CO2/km) nicht zu Lasten von Millionen Autofahrern helfen kann, die dann auf das wesentlich teuere Super Plus Benzin ausweichen müssten. (...) Die Umweltpolitik wird nicht die Verantwortung für eine massive soziale Belastung dieser Autofahrer übernehmen, denn ein direkter umweltpolitischer Vorteil existiert dabei nicht" (die Hervorhebung ist von mir).

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

es gibt erste zarte versuche, die black box etwas durchsichtiger zu machen. es wird zeit!

9/4/08 15:08  

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