versteckte aphorismen
Das Beste am Werk des Soziologen Niklas Luhmann sind seine Aphorismen. Leider hat Luhmann sie nie Aphorismen genannt und - damit auch ja niemand sie als solche erkennt - vorsorglich noch eine undurchdringliche Bleiwüste abstrakter Theorie um sie herum gestrickt. Und da in der Wissenschaft Form meist wichtiger ist als Substanz, gilt Luhmann heute in Deutschland als komplizierter Theoretiker und nicht als brillianter Aphoristiker. Wer ein Luhmann-Buch in die Hand nimmt, ist bereits auf niveauvolle Langeweile eingestellt und nicht auf unberechenbaren Esprit.
Deshalb gibt es heute, fast 10 Jahre nach seinem Tod, auch immer noch kein Buch, das die schönsten Luhmannschen Gedankensplitter U-Bahn-tauglich zusammenfasst. Das ist schade. Denn die sorgfältig verstreuten ironischen Pointen seiner sonst eher ermüdenden und immergleichen Bandwurmtheorie bilden die vielleicht einzige Brücke zwischen unserer Lebenswelt und Luhmanns Ideen. Sie sind der einzige Zugang zu einem ansonsten verschlossenen und geradezu kafkaesken Theoriegebäude, an dessen Anfang und Ende unhinterfragbare Glaubenssätze stehen, denen man als Leser nur passiv-resigniert zustimmen kann - oder eben nicht. Letztendlich machen erst Luhmanns kurze und aphoristische Ausflüge in die Realität die Zustimmung zu seiner Theorie möglich.
Wenn man beispielsweise Artikel 1, Nr. 2 des gerade in den Bundestag eingebrachten "Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes" (pdf) liest* und dazu den lakonischen Satz
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* "Das Weingesetz vom 8. Juli 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 985), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …), wird wie folgt geändert:
Deshalb gibt es heute, fast 10 Jahre nach seinem Tod, auch immer noch kein Buch, das die schönsten Luhmannschen Gedankensplitter U-Bahn-tauglich zusammenfasst. Das ist schade. Denn die sorgfältig verstreuten ironischen Pointen seiner sonst eher ermüdenden und immergleichen Bandwurmtheorie bilden die vielleicht einzige Brücke zwischen unserer Lebenswelt und Luhmanns Ideen. Sie sind der einzige Zugang zu einem ansonsten verschlossenen und geradezu kafkaesken Theoriegebäude, an dessen Anfang und Ende unhinterfragbare Glaubenssätze stehen, denen man als Leser nur passiv-resigniert zustimmen kann - oder eben nicht. Letztendlich machen erst Luhmanns kurze und aphoristische Ausflüge in die Realität die Zustimmung zu seiner Theorie möglich.
Wenn man beispielsweise Artikel 1, Nr. 2 des gerade in den Bundestag eingebrachten "Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes" (pdf) liest* und dazu den lakonischen Satz
"Das Recht dient der Fortsetzung der Kommunikation mit anderen Mitteln"aus Luhmanns Buch "Soziale Systeme" im Ohr hat, dann erst kann man sich ein lebendiges Bild davon machen, was ein selbstreferentielles System ist und wie sich ein solches System aus sich selbst heraus, ohne Mitwirkung seiner Umwelt immer wieder neu erschafft. Aber das zu erklären wäre so langweilig, dass wir Luhmann dankbar sein sollten, dass er uns diese Arbeit abgenommen hat.
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* "Das Weingesetz vom 8. Juli 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 985), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …), wird wie folgt geändert:
[...]
In § 3 Abs. 2 Satz 1, § 3a Abs. 2, § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 2 und 3, § 8a Abs. 2 Satz 1 und 2,§ 8b, § 12 Abs. 1 und 2, § 13 Abs. 3, § 14, § 15, § 16 Abs. 1a, 2 Satz 1, Abs. 3 bis 5, § 17 Abs. 2, § 18 Abs. 4 Satz 1, § 21 Abs. 1 und 2, § 23 Abs. 3, § 24 Abs. 2 bis 4, § 26 Abs. 3, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 3, § 29 Abs. 1, § 30, § 31 Abs. 4, § 33 Abs. 1 und 1a Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 Buchstabe a, § 41 Satz 2, § 42 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, § 45 Satz 2, § 47 Satz 4, § 51, § 53 Abs. 2 und 4, § 55, § 57 Abs. 3 und § 57a Abs. 1 werden jeweils die Wörter „Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“ durch die Wörter „Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ ersetzt."
Labels: idee und wirklichkeit, the world according to luhmann, ungetestete hypothesen
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