die entstehung einer briefmarke
Wer in diesen Tagen das Internet oder eine Zeitung aufschlägt, gewinnt schnell den Eindruck, dass der deutsche Staat seine geballte Kraft einzig und allein darauf verwendet, seine Bevölkerung krimineller oder terroristischer Handlungen zu verdächtigen, sie von morgens bis abends auf jede nur erdenkliche Art und Weise zu überwachen und - sicher ist sicher - Bürgerrechte abzuschaffen, weil sie zur Bedrohung für unseren "Rechtsstaat" werden könnten.
Aber der Schein trügt. Während der größte sicherheitspolitische Ein-Mann-Think-Tank Deutschlands noch laut darüber nachdenkt, Menschen, die vielleicht irgendwann einmal in ihrem Leben eine Straftat begehen könnten durch präventive Inhaftierung wirksam vor einem solchen Fehltritt zu bewahren [für die Katholiken unter uns: das ist die ontologische Umkehrung des Beichtprinzips: Absolutismus statt Absolution], geht der wahre deutsche Staat gewissenhaft und gemütlich seinen altbewährten Aufgaben nach ... zum Beispiel der Gestaltung von Briefmarken.
Gänzlich unberührt von der aktuellen Sicherheitshysterie stellt das Finanzministerium in bester Jack Daniel's Tradition dar, wie früher, heute und bestimmt auch in 1000 Jahren deutsche Briefmarken entstehen. Dabei werden, so das Finanzministerium, "im Wesentlichen drei Aufgabenfelder administrativ vorbereitet und umgesetzt". Schon das erste sogenannte Aufgabenfeld, die "Erstellung eines Themenprogramms", stellt - wie wir sehen werden - eine enorme Herausforderung für den Finanzminister dar:
Jetzt aber zu Phase 2 der Briefmarkenthemenauswahl: die "künstlerische Gestaltung der Postwertzeichen". Natürlich werden "die deutschen Briefmarken [...] durch ausgebildete Grafikdesigner gestaltet". Denn: "So vielfältig wie das Leben an sich, sind auch die eingereichten Markenentwürfe". Nicht zuletzt deshalb lässt sich der Bundesminister der Finanzen auch in diesem zweiten administrativen Aufgabenfeld wieder "durch ein hochqualifiziertes Fachgremium, dem Kunstbeirat, bei seiner Auswahl beraten". Dieser sogenannte Kunstbeirat
Die dritte Entstehungsphase deutscher Briefmarken kommt dann überraschenderweise ohne ein externes Beratungsgremium aus. Es ist die Phase der "Veröffentlichung und Präsentation". Statt Thermoskaffee und dänischen Dosenkeksen gibt es bei der öffentlichen Präsentation Sekt und Regionalfernsehkameras, was den Bundesfinanzminister höchstpersönlich oder zumindest einen seiner beiden Parlamentarischen Staatssekretäre auf den Plan ruft. Für das philatelistisch interessierte Publikum gibt es dabei
Also genau da, wo es vielleicht wirklich einmal hilfreich sein könnte.
Aber der Schein trügt. Während der größte sicherheitspolitische Ein-Mann-Think-Tank Deutschlands noch laut darüber nachdenkt, Menschen, die vielleicht irgendwann einmal in ihrem Leben eine Straftat begehen könnten durch präventive Inhaftierung wirksam vor einem solchen Fehltritt zu bewahren [für die Katholiken unter uns: das ist die ontologische Umkehrung des Beichtprinzips: Absolutismus statt Absolution], geht der wahre deutsche Staat gewissenhaft und gemütlich seinen altbewährten Aufgaben nach ... zum Beispiel der Gestaltung von Briefmarken.
Gänzlich unberührt von der aktuellen Sicherheitshysterie stellt das Finanzministerium in bester Jack Daniel's Tradition dar, wie früher, heute und bestimmt auch in 1000 Jahren deutsche Briefmarken entstehen. Dabei werden, so das Finanzministerium, "im Wesentlichen drei Aufgabenfelder administrativ vorbereitet und umgesetzt". Schon das erste sogenannte Aufgabenfeld, die "Erstellung eines Themenprogramms", stellt - wie wir sehen werden - eine enorme Herausforderung für den Finanzminister dar:
"Den Bundesminister der Finanzen erreichen jährlich circa 800 Themenvorschläge aus allen Teilen der Gesellschaft. Wenn man bedenkt, dass jährlich in Deutschland allerdings nur rund 50 Sonderpostwertzeichen erscheinen, spürt man, dass auf die, die die Entscheidung des Ministers vorbereiten, ein Riesenberg an meist nicht zu erfüllenden Wünschen zukommt."750 Ablehnungen pro Jahr. Da wird auch der bravste Ministerialbeamte schnell zur glamourösen Homecoming Queen. Man spürt förmlich "den Riesenberg an meist nicht zu erfüllenden Wünschen", der auf seinen schaumstoffgepolsterten Schultern lastet. Aber zum Glück hat er dabei Unterstützung. Denn Briefmarkenthemen werden in Deutschland "nicht bürokratisch festgelegt". Nein, die zur Auswahl stehenden Themen werden "in offener Beratung in einem Gremium mit zum Teil hochrangig qualifizierten Mitgliedern durchleuchtet und in eine Rangfolge gebracht". Ein Gremium mit "zum Teil hochrangig qualifizierten Mitgliedern". Da will man natürlich mehr wissen.
"Das Gremium [...] setzt sich zusammen aus: zwei Vertretern des Bundesfinanzministeriums, zwei Angehörigen der Deutschen Post AG, dem Präsidenten des Händlerverbandes APHV, dem Präsidenten des Bundes Deutscher Philatelisten BDPh, einem Vertreter der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland, einem Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, einem Vertreter des Deutschen Presserates sowie vier Mitgliedern des Deutschen Bundestages."Nun mag man sich fragen, wer in diesem illustren Philatelistenkreis vom Finanzminister als "hochrangig qualifiziert" eingeschätzt wird und wer nicht. Aber das Ministerium wäre kein Ministerium wenn es hier eine eindeutige Zuweisung vornehmen würde.
Jetzt aber zu Phase 2 der Briefmarkenthemenauswahl: die "künstlerische Gestaltung der Postwertzeichen". Natürlich werden "die deutschen Briefmarken [...] durch ausgebildete Grafikdesigner gestaltet". Denn: "So vielfältig wie das Leben an sich, sind auch die eingereichten Markenentwürfe". Nicht zuletzt deshalb lässt sich der Bundesminister der Finanzen auch in diesem zweiten administrativen Aufgabenfeld wieder "durch ein hochqualifiziertes Fachgremium, dem Kunstbeirat, bei seiner Auswahl beraten". Dieser sogenannte Kunstbeirat
"setzt sich zusammen aus: zwei Vertretern des Bundesfinanzministeriums, zwei Angehörigen der Deutschen Post AG, dem Präsidenten des Händlerverbandes APHV, dem Präsidenten des Bundes Deutscher Philatelisten BDPh, vier renommierten Fachleuten auf dem Gebiet der Grafik und zwei Beauftragen des Deutschen Bundestages. Ehrenvorsitzender dieses Gremiums ist der weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannte Prof. Karl Oskar Blase, der vor seiner Berufung in den Kunstbeirat annähernd 60 deutsche Sonderpostwertzeichen selber gestaltete".Er ist also weitgehend identisch mit dem Beirat für die Themenauswahl, was die Reisekosten und damit die mit der Briefmarkenauswahl verbundenen Bürokratiekosten deutlich senken dürfte. Über die "Hochrangigkeit" seiner Mitglieder ist nichts bekannt.
Die dritte Entstehungsphase deutscher Briefmarken kommt dann überraschenderweise ohne ein externes Beratungsgremium aus. Es ist die Phase der "Veröffentlichung und Präsentation". Statt Thermoskaffee und dänischen Dosenkeksen gibt es bei der öffentlichen Präsentation Sekt und Regionalfernsehkameras, was den Bundesfinanzminister höchstpersönlich oder zumindest einen seiner beiden Parlamentarischen Staatssekretäre auf den Plan ruft. Für das philatelistisch interessierte Publikum gibt es dabei
"Hintergrundinformationen [...] in Begleitschriften, die über die Deutsche Post AG erhältlich sind. Darin lässt sich neben einigen technischen Angaben nachlesen, welche Bedeutung ein bestimmtes Thema hat".Trotz der eingangs beklagten Sicherheitshysterie, so stellen wir fest, funktioniert der deutsche Staat also weiterhin so dezent und wirkungsvoll wie wir es seit Jahrzehnten gewohnt sind. Briefmarken, so lernen wir, werden jedenfalls mit deutlich mehr Sorgfalt und Expertise in die Welt gesetzt als Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes. Ausgerechnet in der Anti-Terror-Diskussion meinen wir auf das bewährt-bürokratische Modell der ausgewogenen, nichts überstürzenden Entscheidungsfindung, das bei der Auswahl von Briefmarkenthemen kaum mehr wegzudenken ist, verzichten zu können.
Also genau da, wo es vielleicht wirklich einmal hilfreich sein könnte.
Labels: staatsbürgerkunde
1 Comments:
Und braucht diese Komission nicht die Meinung von einer hochkaretigen ausländischen Journalistin? Immerhin sind Briefmarken soeineart Flachediplomaten der Bundesrepublik in der Welt. Man sollte sich erst die Meinung des Auslands holen. Oder ist das jetzt nicht mehr wichtig? Wie es sein mag, ich bin bereit zu dinnen mit Rieseling Sekt staat Aldidosenkekse.
P.S. Ich verstehe nicht was Du gegen die Vorsorge des Minister für Sport, Kultur und Terrorismusbekämpfung hast. Er tut nichts, er will nur spielen.
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