14.10.06

ungerechte gerechtigkeit

Dass Politik und Wissenschaft unterschiedlichen Logiken folgen und daher - wenn überhaupt - nur bedingt kompatibel sind, ist nicht neu. Umso interessanter ist das hochschulpolitische Experiment, die staatliche Förderung von Universitäten ausschließlich von wissenschaftlichen Kriterien abhängig zu machen. Die Grundidee hinter dieser sogenannten Exzellenzinitiative: der Staat stellt die Fördermittel bereit, die Wissenschaft in Gestalt von Deutscher Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat entscheidet, wer das Geld bekommt. Gestern wurden die Ergebnisse der ersten Vergaberunde bekanntgegeben (zur Pressemitteilung der DFG). Die Spitzenuniversitäten kommen aus Bayern und Baden-Württemberg und auch bei der Förderung von Graduiertenschulen und Exzellenzclustern gibt es ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Die Mittelvergabe aufgrund wissenschaftlicher Qualität führt somit zu deutlichen regionalen Ungleichheiten.

Wie nicht anders zu erwarten, protestierten die Wissenschaftsminister der nördlichen Bundesländer gegen diese ungleichmäßige Mittelvergabe und bezeichneten sie als Ungerechtigkeit. Ihr Grundtenor: Exzellenz ja, aber bitte gleichmäßig auf alle verteilt. Der schleswig-holsteinische Minister Dietrich Austermann bringt das auf den Punkt. Laut FAZ sagte er, "die Wissenschaftler hätten im Bewilligungsausschuß die Chance verpaßt, einen wissenschaftlich begründbaren Ausgleich zwischen dem Norden und dem Süden vorzunehmen". Je nachdem, welches Kriterium angelegt wird, stellt sich ein und dieselbe Entscheidung also einmal als gerecht und ein anderes Mal als hochgradig ungerecht dar. Und beide Seiten haben auf ihre Weise jeweils Recht.

Dass sich die Wissenschaft in der ersten Vergaberunde der Exzellenzinitiative durchgesetzt hat, liegt übrigens einzig und allein an den vorab festgelegten Entscheidungsregeln.
"In dem gemeinsamen Bewilligungsausschuß, in dem Bund, Länder und Wissenschaft vertreten sind, haben die Länder je eine Stimme, der Bund sechzehn Stimmen und die Wissenschaftler je 1,5 Stimmen, was ihnen eine Mehrheit verleiht. Die nutzten die Forscher aber selbstbewußt unter Berufung auf das Kriterium der Exzellenz. Sie legten den beteiligten Wissenschaftsministern aus Bund und Ländern eindeutige Entscheidungen vor" [FAZ].
Es ist daher keine Kunst zu prognostizieren, dass die Politik in der zweiten Vergaberunde vor allem versuchen wird, diese Entscheidungsregeln zu ändern.
"Die Politiker fühlten sich von den Juroren aus der Wissenschaft bevormundet. Sie fordern nun mehr Einfluß auf das Verfahren, wenn im kommenden Frühjahr weitere 1,1 Milliarden Euro Fördermittel vergeben werden" [FAZ].
Damit wäre allerdings auch der Versuch einer Politik, die die Eigenlogik der von ihr gesteuerten Gesellschaftssysteme stärker berücksichtigt, an der Unvereinbarkeit beider Logiken gescheitert. Niklas Luhmann hätte das natürlich schon vorher gewusst.

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