publikumsbeschimpfung
Bis vor kurzem galten die deutschen Sozialdemokraten als ziemlich gute Rhethoriker während man Wortgewandheit und Sprachbegabung bei der CDU/CSU mit der Lupe suchen musste. Abgesehen vom Pathos eines Richard von Weizsäcker und dem tiefgründig orakelnden Heiner Geißler gab es in den letzten Jahrzehnten kaum einen konservativen Politiker, dem man einfach so mal zuhören mochte. Doch in jüngster Zeit gerät die rhetorische Machtbalance in Wanken, langsam kommt Bewegung ins politische Sprechtheater. Während die sozialdemokratische Karriereplanung offenbar immer häufiger ohne Rhetorikschule auskommt, entdecken die Christdemokraten - und allen voran die Bundeskanzlerin - mit einem Mal lauter neue Kommunikationsformen. Vom Kanzlerinnen-Podcast über Merkels neue Selbstironie bis zur neuesten kommunikativen Errungenschaft: der Publikumsbeschimpfung. Ausgerechnet in dem Moment, wo Peter Handke in die Mühlen der politisch und moralisch korrekten Feuilletonkritik gerät, entdeckt die Bundeskanzlerin die Ausdrucksform, mit der Handke vor ziemlich genau 40 Jahren berühmt wurde. Aus heiterem Sommerhimmel und mitten in die überbordende WM-Begeisterung hinein beschimpft die Kanzlerin Deutschland als "Sanierungsfall". Die Haushaltslage sei desolat und werde auch durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht besser. Getreu dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" attackiert Merkel das ganze Land.
Aber was soll das Ganze eigentlich? Während es Handke mit seiner Publikumsbeschimpfung darum ging, erstarrte Darstellungsformen aufzubrechen und die Zuschauer zum Nachdenken über das Theater anzuregen, verfolgt die Bundeskanzlerin genau das entgegengesetzte Ziel. Mit Hilfe innovativer Darstellungsformen versucht sie, erstarrte Politikmuster zu kaschieren und das ebenso alte wie ineffektive Polittheater - kurzfristige Problemverschiebungen als Reaktion auf strukturelle Langzeitprobleme - möglichst lange über die Zeit zu retten.
Aber was soll das Ganze eigentlich? Während es Handke mit seiner Publikumsbeschimpfung darum ging, erstarrte Darstellungsformen aufzubrechen und die Zuschauer zum Nachdenken über das Theater anzuregen, verfolgt die Bundeskanzlerin genau das entgegengesetzte Ziel. Mit Hilfe innovativer Darstellungsformen versucht sie, erstarrte Politikmuster zu kaschieren und das ebenso alte wie ineffektive Polittheater - kurzfristige Problemverschiebungen als Reaktion auf strukturelle Langzeitprobleme - möglichst lange über die Zeit zu retten.
Labels: politik, ungetestete hypothesen
1 Comments:
Lustigerweise gibt es Publikum das schreit ja gerade zu danach beschimpft zu werden, den Grossteil unserer Bevölkerung gehört da eben dazu. Tja jedes Volk bekommt die Politiker, welche es verdient.
P.S.
der Blümchen-Nobbi war auch immer ein guter Rhetoriker
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