26.3.06

politikflatrate

In einem Spiegel-Online Interview , das jedem surrealistischen Theaterstück zur Ehre gereicht hätte, erklärt Justizministerin Brigitte Zypries die geplante Novelle des Urheberrechts. Grundtenor ihrer Aussagen: durch das neue Gesetz bleibt alles beim alten. Trotz wiederholten und immer verzweifelteren Nachhakens des Interviewers ist die Justizministerin nicht dazu zu bewegen, auch nur einen einzigen Punkt zu nennen, in dem sich die Gesetzesnovelle vom geltenden Recht unterscheidet. Einen seiner surrealistischen Höhepunkte erreicht das Gespräch wenn Zypries zugibt, dass die von Verbraucherverbänden geforderte Bagatellklausel aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, damit kein "falsches Signal" gesetzt würde, gleichzeitig aber versichert, dass Bagatelldelikte, wie z.B. das Kopieren einer geschützten CD für den Privatgebrauch, nach wie vor nicht strafrechtlich verfolgt würden. Jeder, der das Interview liest, kommt unweigerlich zum Schluss, dass die Justizministerin weder falsche noch richtige Signale senden will, sondern ihre Aufgabe ausschließlich darin sieht, überhaupt kein Signal zu setzen. Statt aufzuklären wird abgewiegelt. Statt zu informieren wird verschleiert.

Leider hat der Spiegel nicht gefragt, warum, wenn sich tatsächlich überhaupt nichts ändern sollte, überhaupt der ganze Gesetzgebungsapparat in Gang gesetzt werden musste. Und warum sich der Bundestag mit der ziemlich utopischen Idee einer Kulturflatrate befasst, während die Bundesregierung - ohne dies offen zuzugeben - die Weichen für einen Abbau von Verbraucherrechten stellt. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist nur scheinbar einer. In Wirklichkeit zeigt sich hier ein immer häufiger anzutreffendes Muster der deutschen Politik: Die Regierung setzt sich mit den "beteiligten Kreisen" zusammen und trifft eine Entscheidung. Der Bundestag darf sich währenddessen ein Weilchen mit schönen, futuristisch anmutenden Ideen vergnügen. Am Ende muss er den zwischen den Interessengruppen ausgehandelten Kompromiss mit ein paar kosmetischen Korrekturen verabschieden und ihn damit nachträglich legitimieren. Unter der großen Koalition mit ihrer ungefährdeten Stimmenmehrheit wird diese Strategie perfektioniert.

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