17.8.09

aber wenn mir die wirtschaft selbst sagt ...

Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat dem Deutschlandradio Kultur verraten, was er von der Idee einer Kulturflatrate hält:
"Aber wenn mir die Wirtschaft selbst sagt, das sei kein optimales Modell, kann ich nicht sagen, ich übernehme dann das trotzdem. Ich möchte das tun als Politiker, was der Wirtschaft hilft, und da will ich gar nicht klüger sein, aber wenn mir von den Sachverständigen bisher gesagt wird, das sei nicht der richtige Weg, kann ich nicht einfach sagen, das führen wir ein."
Das ganze Interview, in dem in verblüffender Offenheit erklärt wird, dass Kulturpolitik auf keinen Fall mehr tun sollte als die tagesaktuellen Interessen der Verwertungsindustrie zu vertreten, kann man hier nachlesen.

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30.6.09

prioritäten

Kein Geld für Schulbücher, aber der Quelle-Katalog wird auf Staatskosten gedruckt. Das ist die politische Prioritätensetzung in Deutschland im Jahr 2009.


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18.3.09

wenn schon rauchen, dann bitte richtig

Aus dem Deutschen Bundestag:
"Der Mindestinhalt einer Kleinverkaufspackung Zigaretten muss in Zukunft 19 Stück betragen. Dies sieht der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (16/12257) vor, mit dem auch das Tabaksteuergesetz geändert werden soll. Bisher beträgt der Mindestinhalt 17 Stück."
Den vollständigen Gesetzesentwurf, der den deutschen Raucher zu einer verbesserten Vorratshaltung zwingt und dabei so schöne Begriffe wie "Verpackungszwang" und "Beigabeverbot" verwendet, gibt es hier.

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4.2.09

so sicher wie die papierpost ...

Was ist das Gegenteil von E-Mail? Richtig, De-Mail.
In ihrer Begründung der neuen sexy Behördenmail schreibt die Bundesregierung:
"E-Mails haben die Briefpost in vielen Fällen bereits abgelöst. Doch die digitale Post ist nicht immer vertrauenswürdig: Der Absender ist leicht zu fälschen, die angezeigte Mail-Adresse muss nicht stimmen. E-Mails können auf ihrem Weg zudem abgefangen oder verändert werden. Für den Behörden- und Geschäftsverkehr sind E-Mails damit häufig ungeeignet."
Nur die Kombination von deutschem Geist und deutscher Technologie ist wohl in der Lage, den guten alten Brief im Maßstab 1:1 und absolut originalgetreu in die digitale Welt zu transponieren. Das Internet wird ohne einen Moment des Nachdenkens in die Abfolge der Thurn und Taxis-schen Generalpostmeister eingegliedert. Mit elektronischem Briefumschlag und bei Bedarf auch als Einschreiben, wie das genial altmodische Video der Bundesregierung fach- und sachgerecht erläutert.


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3.11.08

was ist das peinlichste politische verbrechen?

11.10.08

schlatzen

"Schlangen und Katzen können nicht Schlatzen zeugen."
[Niklas Luhmann, zehn Jahre im Voraus, zum politischen Umgang mit der Finanzkrise (Luhmann, 1998, Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 486)]

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2.10.08

klare worte

"Bild: Können Sie den Deutschen versprechen, dass nicht schon morgen die nächste deutsche Bank Milliarden Steuermittel braucht?

Merkel: Ich verspreche den Deutschen, als Bundesregierung weiterhin alles dazu beizutragen, um das Finanzsystem so zu stabilisieren, dass wir die Menschen und die Wirtschaft in Deutschland so weit wie möglich vor den Folgen schützen."
Was bringt einen Politiker bloß dazu, einen Satz mit einem entschlossenen "Ich verspreche" zu beginnen, nur um ihn anschließend mit einem halben Dutzend verschachtelter Abschwächungen und Relativierungen im Verantwortlichkeitsnirvana zu versenken?

[Bundeskanzlerin Merkel im Bild-Interview]

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1.10.08

niedrigschwellige politik

"Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind". Das ist einer der Lieblingssätze politischer Mandatsträger. Dass sie sich damit etwas vornehmen, das bisher nicht einmal der Bahn oder den städtischen Verkehrsbetrieben gelungen ist, dürfte den wenigsten auffallen. Stattdessen stellen sie munter Vermutungen darüber an, wo sich "die Menschen" gerade befinden und wie sie sie am besten von dort "mitnehmen" können. Wohin auch immer.

So auch die Bundeszentrale für politische Bildung, die gerade zusammen mit der Firma "Grundy Light Entertainment" (ja genau, die Macher von "Deutschland sucht den Superstar") eine Comedy Show für "politikferne Jugendliche" entwickelt. Wo "politikferne" Jugendliche hingeführt werden sollen ist offensichtlich: zur Politik. Aber wo muss man sie abholen? Um dies herauszufinden hat die Bundeszentrale einen "Gesprächskreis aus Fernsehsachverständigen initiiert". Nach ausgiebigem Fernsehstudium entwickelten die Sachverständigen "die Idee eines niedrigschwelligen, comedy-orientierten Politiknachrichten-Formates (...) als verfolgenswerten Ansatz zur Erreichung der genannten Zielgruppe".

Die Bundesregierung beschreibt diesen Ansatz folgendermaßen:
"Es liegt eine Grobkonzeption des Sendungsformats vor (...). Als Format wurde die Erzählform der Sketch Comedy gewählt, die es zum einen erlaubt, mehrere Themen zu platzieren und zum anderen im Vergleich mit anderen Comedy-Formaten (Sit-Com u. a.) unter Jugendlichen auch die größte Akzeptanz hat. Als verbindendes Element der einzelnen Sketche soll eine 'Presenterin' fungieren, die in ihrem (fiktiven) Video-Blog, die Sketche anmoderiert und mit ihrer eigenen Meinung kommentiert. Diese Form der Kommunikation ist Jugendlichen vertraut und bei ihnen beliebt (myspace.com, schülerVZ.net, studiVZ.net). Die Sketche sollen die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen mit politischen Themen verbinden, ohne dabei belehrend zu wirken."
Ein wissenschaftlicher Beirat der Bundeszentrale für Politische Bildung hat das Projekt schon begutachtet und dabei den "Weg über moderne und von Jugendlichen häufig genutzte Medien" gelobt. So sieht im Jahr 2008 die politische Willensbildung aus.

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26.9.08

deutscher herbst

Wenn es dunkel und kalt wird in Deutschland holen viele Menschen die Strandfotos des letzten Sommerurlaubs hervor, um sich an ihnen ein wenig zu wärmen. Doch in einem Land, in dem Glück und Wohlergehen meist als Teil eines Nullsummenspiels verstanden werden, wecken Urlaubsfotos nicht nur gute Erinnerungen, sondern auch unterschwellige Ängste und Sorgen. So kommt es, dass sich die Bundestagsfraktion der Linken mitten im Herbst Sorgen um die Wirksamkeit europäischer Sonnencremes macht und jeden, der sich eincremt, eindringlich warnt sich deshalb bloß nicht "unangemessen" sicher zu fühlen. 

Die dahinterstehende Logik ist ebenso simpel wie allgegenwärtig: Je mehr man versucht, die offensichtlichen Risiken der eigenen Lebensführung zu vermindern, desto schwerer wiegen die zuvor unbemerkten Restrisiken. Risikominimierung wird dadurch zur Daueraufgabe und Daueraufgaben sind bekanntlich etwas für den Staat und seine Verwaltung. Da diese Logik nur eine Richtung kennt, scheint der Wandel zum Sicherheitsstaat kaum mehr zu stoppen. Sein Ziel ist es, alle Bereiche der privaten Lebensführung umfassend zu regulieren. Er ist die paradoxe Kehrseite einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, die den Staat aus dem Wirtschaftsleben so weit wie möglich heraushalten will.

Wie weit sich der Staat schon mit seiner neuen Rolle als Aufseher der bürgerlichen Privatsphäre abgefunden hat, erkennt man daran, dass der Bundestag vor dem Hintergrund zusammenbrechender Finanzmärkte nichts besseres zu tun hat, als über die Restrisiken hochwirksamer Sonnenschutzmittel zu debattieren. Und daran, dass sich offenbar kaum jemand darüber wundert.

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8.7.08

deutschland - ein käsemärchen

"Deutschland liegt bereits seit 2006 der Menge nach vor den großen Käsenationen Frankreich, den Niederlanden, Neuseeland und Italien."
[Gerd Müller, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, über den Käseexportweltmeister Deutschland]

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3.7.08

100, 200 oder 300 millionen inder, oder: warum jedes jahr ein neues deutschland entsteht

"Wenn man sich überlegt, dass die Weltbevölkerung jährlich um ca. 80 Millionen Menschen wächst, also jedes Jahr einmal die deutsche Bevölkerung hinzukommt, und wenn wir uns dann anschauen, wie fein austariert unser europäischer Agrarmarkt eigentlich ist und welche Eruptionen dort entstehen, wenn plötzlich 100, 200 oder 300 Millionen Inder eine zweite Mahlzeit am Tag essen und damit eine Verdoppelung des Nahrungsmittelbedarfs einhergeht, dann können Sie sich vorstellen, welchen Spannungen das gesamte System der Preisbildung heute ausgesetzt ist."
[Bundeskanzlerin Merkel beim Deutschen Bauerntag]

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18.6.08

...

16.6.08

die macht der minderheit

Henry Farrell kommentiert den Kommentar eines inoffiziellen deutschen Wahlbeobachters zum irischen EU-Referendum:
"German parliamentarian Axel Schäfer’s comment that 'With all respect for the Irish vote, we cannot allow the huge majority of Europe to be duped by a minority of a minority of a minority', would have a bit more credibility if, you know, the majority of the majority of the majority had been given a chance to vote on the Treaty themselves".
Im nächsten Anlauf könnte es die EU ja mal mit einer Verordnung versuchen. In Artikel 249 Abs. 2 des EG Vertrags steht nämlich:
"Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat."

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29.5.08

der perfekte wirtschaftskreislauf

Wer diese und diese Meldung liest, beginnt zu ahnen, wie sich unsere Regierung den idealen Wirtschaftskreislauf vorstellt. Im Kern sieht das Wirtschaftsmodell unseres neoliberal-sozialistischen Sicherheitsstaates so aus:

Deutsche Produzenten dürfen zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht mehr von ihren latent unzuverlässigen Kunden abhängig sein. Deshalb werden sie auf unbefristete Zeit direkt aus der Staatskasse subventioniert. Und weil viele der in Deutschland hergestellten Güter ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung mit sich bringen, wird der Konsum der subventionierten Waren auch gleich verboten. Der Arbeitslohn fließt über Steuer und Subvention direkt an die Unternehmen zurück und bietet diesen - von allen marktbedingten Schwankungen befreit - langfristige Planungssicherheit. Gleichzeitig werden Umwelt, Gesundheit und öffentliche Sicherheit nachhaltig und todsicher geschützt und der Staat kann endlich allen zeigen, dass er der bessere Markt ist ... wenn man ihn nur lässt.

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27.5.08

...

"Der deutsche Bildungsbürger neigt ja zu der Annahme, dass es ausreicht, wenn die Grammatik stimmt."
[Wolf Schneider, Sprachlehrer, im FAZ-Interview]

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prekäre beschäftigung

L'État, c'est moi! wird sich manch ein Wirtschaftsverband denken, wenn seine Mitarbeiter der Bundesregierung helfen, ihre Gesetze zu schreiben. Zu Recht. Denn in den letzten 5 Jahren haben Vertreter von Unternehmen und Verbänden bei der Erarbeitung von 32 Gesetz- und Verordnungsentwürfen mitgeholfen. Abgesehen von der Frage, ob es sinnvoll ist, den eigennützigen Bock zum gemeinwohlorientierten Gärtner zu machen, ist es interessant zu sehen, dass selbst die oft gelobte gesellschaftliche Selbstregulierung nicht ohne den Staat auskommt [via].

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14.5.08

politik als abenteuerroman

Wer Politik als Fortsetzungsroman im Bastei-Lübbe Format erleben will, der sollte sich die "Reisenotizen" von Angela Merkels Lateinamerika-Trip nicht entgehen lassen. In bester Entdecker-Prosa steht dort:
"Das Protokoll des Auswärtigen Amtes hat (...) im Minutentakt die Reise der Bundeskanzlerin geplant und aufgeschrieben: 15:50 Uhr Zwischenlandung, 17:50 Uhr Weiterflug nach Brasilia, 22:00 Uhr Ortszeit Ankunft am Flughafen Presidente J. Kubischek. Nicht die kleinste Einzelheit bleibt dem Zufall überlassen."
Und weiter:
"Auf dem Flug macht die Delegation Bekanntschaft mit einem kleinem Inselstaat mitten im Atlantik: Zum Tanken stoppt der Bundeswehr-Airbus in Sal auf den Kapverdischen Inseln. Zwei Stunden Stippvisite – und die Finanzministerin des souveränen Staates nutzt die Gelegenheit, die Bundeskanzlerin zu einem kurzen Gespräch zu treffen."
In Folge 2 des Reisetagebuches erfahren wir dann vermutlich, wie die weißen Götter aus dem fernen Deutschland den staunenden und dankbaren Eingeborenen Perlen, Parteifähnchen und Plastikfeuerzeuge aus ihrem fliegenden und feuerspuckenden Drachen zuwerfen. Vorläufiger Höhepunkt der Expedition dürfte die Begegnung der Bundeskanzlerin mit 27 rassigen Sambatänzerinnen werden (Folge 3), bevor dann im dramatischen Finale die Mächte des Bösen besiegt und die verlorenen Staaten Lateinamerikas auf den rechten Weg zurückgeholt werden (Folge 4-7).


Nachtrag: Die Reise geht weiter und uns Daheimgebliebenen flattern nun täglich die gutgelaunten Reisenotizen der Kanzlerinnenescorte auf den Tisch:
"Strahlend blauer Himmel. Vor dem Präsidentenpalast von Brasilia stellt sich die Ehrenformation zum Empfang von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Welch ein Kontrast: Die Soldaten in weißblauen Gardeuniformen wie aus Kaisers Zeiten – und daneben die immer noch moderne Architektur Oscar Niemeyers (...). Freundlich empfängt der Präsident die Kanzlerin: Lächeln, Küsschen rechts und links auf die Wange, Hände schütteln. (...) Die Kinder zücken begeistert ihre Fotohandys. Brasilien präsentiert sich herzlich, modern und offen" (aus Teil 2 der Reisenotizen).

Lateinamerika, gesehen durchs deutsche Kassengestell durch die deutsche Brille. Das sagt mehr über unsere nationale Selbstwahrnehmung als 1000 eilig herbeitelefonierte Meinungsumfragen.

Anmerkung: Das Grundprinzip eines Abenteuerromans basiert darauf, dass ein Held aus seiner alltäglichen Welt in eine fremde, gefährliche Welt aufbricht, in der er bei Lebensgefahr allerlei Probleme und Proben zu bestehen hat. Ziel seiner Reise ist meist die Rettung einer Person oder seiner eigenen Welt, aus der er aufgebrochen ist. In der Regel wird ein Abenteuerroman aus Sicht des Helden erzählt, der das Gute verkörpert und oft gegen finstere Mächte oder das Böse kämpft und letztlich gewinnt. Stilistisch lassen sich Abenteuerromane als in einfacher, deskriptiver Sprache verfasste Literatur bezeichnen, die nicht selten einzelne nicht oder nur kaum zusammenhängende Geschichten miteinander verknüpft. Häufig werden kleine Episoden oder Erzählungen in die Handlung eingebaut, wobei diese sich in direkter und anschaulicher Weise auf das aktuelle Geschehen konzentriert. [Quelle: Wikipedia]

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7.5.08

intelligente autobahnen

"Wir wollen intelligente Autobahnen statt starrer Verbote"
[SPD-Kommentar bei der Abstimmung des Verkehrsausschuss des Bundestages über ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen]

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22.4.08

der knappe schwung der routine

Auf der Hannover Messe läuft die Bundeskanzlerin mal wieder zu rhetorischer Höchstform auf:
"Den knappen Schwung der Routine hat man nicht mit 25, den bekommt man später".
Ein bisschen Selbstironie hat sie in ihrer Eröffnungsrede auch noch versteckt:
"Ich freue mich auf den morgigen Rundgang, wenn ich mir – natürlich nur in Ausschnitten – das zeigen lassen werde, was Japan und Deutschland zu bieten haben."
Bei so viel junggebliebener Lässigkeit ist es kein Wunder, dass ihr Pressesprecher sie offenbar als Bundesgirlie vor Augen hat:
"Auftakt zum Girls’ Day mit Bundeskanzlerin Merkel"

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